Uraufführung "Mein Chor" - Bruchsal 12.10.2024

Es ist faszinierend, wie aus individuellen Lebensklängen und Lebensrhythmen auf scheinbar wundersame Weise eine neue vitale Einheit entstehen kann, die Chor genannt wird. Aus dieser Faszination ist „Mein Chor“ entstanden, als ein Geschenk an die Chöre dieser Welt und Ausdruck der Hoffnung auf die Kunst als Teil der Lösung zu einer friedensfähigen Welt:
Verbunden im Klang – Wär’ die Welt bloß Mein Chor!

Ein Klecks auf der großen Palette des Lebens,
deren Puls meinen Atem der Sinne verströmt –
geborgen in Dir bin so schön ich, Du Hort.
Mit schwingenden Farben malst Du so mich bunt,
be•sinnende Seele mit Herz und mit Mund.

Die blaue, die Welle, das Fundament,
die grüne, die Hoffnung, die Harmonie,
die rote, die Liebe, die Leidenschaft
und golden, die Sonne, die Fröhlichkeit.

Ich fühle die Kraft aller anderen Farben,
die neben und mit mir die Leinwand erfüll’n,
das Lächeln der Töne – Du formst die Konturen!
Mit schwingenden Farben malst Du mich so bunt,
be•sinnende Seele mit Herz und mit Mund.

Auf der Säule der Stimme die Wahrheit erfühl’n
🎶
Den Klang dieser Wahrheit, den gibt es bei Dir!
Verbunden im Klang! Wär’ die Welt bloß mein Chor!
Das Gemälde der Zukunft zufrieden im Ohr:
Mit schwingenden Farben malst Du mich so bunt,
be•sinnende Seele mit Herz und mit Mund.

© 25.07.2021 Dirk Solte

A splash on the polychrome palette of life,
unbounded the breath of my soul does exude –
enveloped by you in this haven of peace.
Inspiring creations in which I have sung
give meaning, O Spirit, with heart and with tongue.

The azure, the ocean: wellspring of all,
and green aspiration in harmony,
the red one, devotion, so full of love,
and golden the sun of our happiness.

The palette of colours whose strength does surround me,
the forms on my canvas, you shape every contour,
with pastel vibrations of tones ever smiling!
Inspiring creations in which I have sung
give meaning, O Spirit, with heart and with tongue.

Perceiving the truth in our carrying voices …
🎶
This resonant truth, I feel only in you!
Could the world of the future be one as a choir!
United in sound painting brushstrokes of fire:
Inspiring creations in which I have sung
give meaning, O Spirit, with heart and with tongue.

Translation (© 18.08.2023): Anthony Bramall

Un poco —  tavolozza dei colori della vita,   
fa respirare polso miei sensi
avvolto da te —  paradiso per me.
Dipingi il cuore è ho cantato,
spirito dai senso, sensi toccato.

l’azzurro, la fonte e il fondamento
il verde speranza e l‘armonia 
il rosso passione, pieno d’amorˋ
il sole dorato di felicita.

Io sento la forza di tutti colori
ravivare la tela accanto e con me,
sorriso dei suoni – formi le conture!
Dipingi il cuore è ho cantato,
spirito dai senso, sensi toccato.

Sul pilastro della voce: la chiara verità …
🎶
sento solo in te, squillante verità!
uniti nel suono voglio il futuro
il dipinto di pace, il mondo, un coro:
Dipingi il cuore è ho cantato,
spirito dai senso, sensi toccato.

Traduzione (© 26.11.2024): Marianna Mancone

In der Pandemie, die im Jahr 2020 ausgerufen wurde, hat sich die Frage gestellt, ob Chor, ob Kunst und Kultur, ob der Bereich der Amateurmusik „systemrelevant“ sind. Das hat viele zum Nachdenken gezwungen: „Macht es Sinn, auch in einer ungewissen Zukunft weiter als Kulturschaffender, als  Chorleiter*n, als Sänger*n oder Musiker*n in der Amateurmusik zu wirken?“ Nicht wenige Chorleiter*innen standen im Verlauf der Pandemie an einem gewissen Punkt vor der Sinnfrage: „Ist meine Arbeit tatsächlich nicht besonders relevant? Welchen Sinn hat mein Wirken überhaupt? Was treibt mich trotz aller teils widrigen Umstände an? Welchen Platz haben Musik und Gemeinschaft in unserer Lebenswelt?

Singen:

  • Warum singen wir? Welchen Zweck erfüllt das Singen?
  • Dient Singen der Selbsterfahrung, dem Ausdruck von Emotionen oder als Ventil?
  • Kann man Singen als Grundbedürfnis betrachten?
  • Führt die stimmliche Entfaltung zur persönlichen Entwicklung?
  • Soll durch das Singen eine Botschaft vermittelt werden?

Gemeinschaft:

  • Dient Singen primär dazu, sich in der Gruppe zu versammeln?
  • Bietet das gemeinschaftliche Musizieren eine besondere Form der Selbsterfahrung?
  • Ist das Erleben von Resonanz ein urmenschliches Bedürfnis?
  • Sollten – und wenn ja, welche – gemeinsame Ziele erreicht werden?

Das hat uns dazu gebracht, die Frage zu stellen: „Was ist ein Chor?“

Auf der ChorCom 2021 haben wir unsere Antwort auf diese Frage in einem Workshop vorgestellt. Dessen Titel „Chor – Macht – Sinn !?“ ist unser Motto für ein krisenresilientes „Konzept Chor“, ein Plädoyer für die konstruktive Auseinandersetzung mit und kreativen Förderung einer Ausbildung der „eigenen Persönlichkeit“ eines Chores. Was macht meinen Chor aus? Ist er attraktiv? Ist er stark, zart oder launenhaft? Hat er etwas, das die Sängerinnen und Sänger anzieht? Hat er etwas, das mich als Chorleiter*in anzieht? Hat er etwas, das sein Publikum anzieht? Hinter diesen Fragen steht die Überzeugung, dass der in den Antworten steckende Sinn den Chor „macht“, er macht ihn selbstständig und selbstbewusst, resilienter, widerstandsfähiger. Der Sinn des Chores ist prägend für dessen Persönlichkeit, seinem Auftreten in der Öffentlichkeit und seine Attraktivität. 
Drei „Konstitutionstypen Chor“ umreißen die charakterlichen Züge der gelebten, Sinnstiftenden Chorarbeit, auch in durchaus unterschiedlich gewichteter Mischung:

  1. „Chor an sich“: Chor als geselliges Gefüge, die Mitglieder „sind der Chor“. Musik, aber auch vieles mehr werden in Gemeinschaft erlebt. Kultur wird tradiert, Traditionen geben Halt. Musikalisch präsentiert sich „der Chor“ bei Auftritten oder Konzerten. Bei Dorffesten etc. wird „der Chor“ als Veranstalter auch außermusikalisch gesellschaftlich aktiv.
  2. „Chor on demand“: Ein wechselhafter Charakter, der mit den Moden des Zeitgeistes geht und anbietet, was gerade „in“ ist, um genügend Mitglieder zu haben. Z.B. Singen der Charts, Schlager etc. / auf eine Musikrichtung spezialisierte und somit sich aus einer bestimmten Klientel speisende Chöre (Shanty- / Gospel- / Motetten- / Popchor…) / zeitlich begrenzte Projekte. Spaß steht oft im Vordergrund.
  3. „Chor be•sinnt“: Ein ausdrucksstarker Charakter mit Sendungsbewusstsein. Kein einfacher Typ, dessen Persönlichkeit auch für Werte steht, die „dem Chor“ im Inneren Orientierung geben und die „der Chor“ aktiv nach außen trägt, um in der Gesellschaft Sinn stiftend zu wirken. Der Musikgenuss resultiert u.a. auch aus einer vertieften Beschäftigung mit der Aussage der Komposition, die dann dem Publikum in entsprechenden Konzertformaten dargeboten und erlebbar gemacht wird.

In Proben und Konzerten bringt die Musik Menschen unterschiedlichster Prägung friedlich zusammen, um Harmonie und Klang zu finden. Menschen hören zu, lassen die vorgetragene Musik auf sich wirken. Musik, mit all ihren Möglichkeiten und der Vielfalt, Gefühle und Gedanken bewusst und unbewusst zu verarbeiten – aber auch zu vermitteln – ist eine ganz besondere Form der Kommunikation. Chöre können daher in einer Welt, in unserer Welt, die sich zunehmend spaltet und auseinanderdriftet, zu einem Hort mit guter Wirkung in der Gesellschaft werden. Besonders, wenn in ihrer künstlerischer Arbeitsweise samt Konzertkonzeption auch die musikalische Auseinandersetzung mit Themen steht, die die Gesellschaft heute und in Zukunft betreffen. Dafür haben wir den Begriff „musophieren“ geprägt. Musophierende Chöre setzen Zeichen für die Kunst, die seit Jahrhunderten für den Menschen von Bedeutung ist. Sie transportieren Werte und Wahrheiten auf sinnliche Weise durch emotionale, ästhetische Vermittlung und ermöglichen dadurch eine generationsübergreifende, integrative Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemfeldern.
In dem Kunst-Begriff „musophieren“ kommt eine positive Grundhaltung zum Leben zum Ausdruck, die sich daraus speist, Hoffnung gestalten zu können. Wer musophiert erlebt eine Selbstwirksamkeit, die sich im Miteinander verstärkt, in Gemeinschaften die zurück und nach vorne schauen und noch aufeinander hören. Das ist das Wesen der Chorarbeit. Musophieren ist die Kunst, sich mit den Fragen unserer Zeit auseinander zu setzen, friedlich, tolerant und mit dem Ziel von Erkenntnis die in einer Empfindung begründet ist, für eine bessere Zukunft.
Verbunden im Klang! Wär’ die Welt bloß mein Chor!

… leider noch nicht fertig!😏

  • Chorsatz: SATB - moderat
  • Komponist: Matthias Böhringer
  • Text: Dirk Solte
  • Uraufführung: 01. Juni 2024 (🇬🇧); 12. Oktober 2024 (🇩🇪)